Geschichte

Eine kurze Geschichte des Rentenrechts

1990 Einigungsvertrag
„Versorgungsausgleich für vor 1992 in den neuen Bundesländern geschiedene Frauen gibt es nicht“.

1991 Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) wird verabschiedetgleichzeitig gibt es eine Entschließung des Deutschen Bundestages, in den Jahren bis 1997 eine Rentenreform zu verabschieden, die die besonderen frauenspezifischen Elemente aus dem DDR-Rentensystem in Westrecht überführt. Bis 1996 wird die DDR-Rente ausgezahlt, wenn sie höher ist als die Westrente. Das war bei 83% der Frauen der Fall. Der Begriff Auffüllbetrag ist irreführend.

1992 Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) wird wirksam.

März 1993 Fachzeitschrift „Familie und Recht“ schreibt „Zur rentenrechtlichen Stellung vor 1992 geschiedener Frauen aus den neuen Bundesländern“ – Problem erkannt! 

1997 Sozialgesetzbuch VI , d.h. das Westrentenrecht, gilt ausschließlich, auch für die neuen Bundesländer.

Erste Reaktionen betroffener Frauen am Beispiel Halle:
Seit 1991 Petitionen mehrerer Frauen
1993/1994 Briefe an verschiedene Landes- und Bundesministerien.
April 1993 erste öffentliche Einladung zu einem Treffen in Halle.


Aus der Geschichte unseres Vereins
– ein paar Schlaglichter und Details

13.03.1999 Gründungsversammlung eines “Vereins der in der DDR geschiedenen Frauen e.V.” in Schwerin
Gründungsprotokoll lesen

Mai 1999 – Initiativgruppen in Dresden, Leipzig, Halle, Weimar, Wernigerode, Nordhausen, Chemnitz, Zwickau, Schwerin, Greifswald, Wismar, Rostock, Güstrow, Bützow, Bergen/Rügen, Stralsund, Neubrandenburg, Neustrelitz, Wittenberge, Ludwigslust, geplant Berlin.  

Mai 1999 Artikel, Zeitung leider unbekannt
Der Vorsitzende des Deutschen Familiengerichtstages, Prof. Siegfried Willutzki: “Der Staat hätte den Frauen, wenn sie durch Kindererziehung ehebedingt Nachteile erlitten haben, im Einigungsvertrag die Möglichkeit einräumen müssen, sowohl durch Versorgungsausgleich (VA) wie verlängerten Ehegattenunterhalt Ausgleich zu bekommen“.
Das ist nicht geschehen, obwohl unsere Verfassung den besonderen Schutz von Ehe und Familie (Art. 6) garantiert und den Gleichbehandlungsgrundsatz enthält (Art. 3).
Auch der renommierte Familienrechtler Prof. Dieter Schwab hatte damals vor schweren Nachteilen für die geschiedenen DDR-Frauen gewarnt…
Beim Einigungsvertrag und den Scheidungs-Renten ging es schlicht ums Geld. Der damalige Verhandlungsführer der DDR, Günther Krause (CDU): „Dieses Thema zählte zu den Streitpunkten der Einigungsverhandlungen. Westdeutschland hat es damals abgelehnt, von Gesetz wegen den VA für alle DDR-Fälle neu zu regeln. Das wäre einfach zu teuer gekommen.“
Davon will der Verhandlungsführer der Bundesrepublik, Wolfgang Schäuble (CDU), damals Innenminister, nichts mehr wissen. „Solche Details spielten damals in meinen Gesprächen keine Rolle. Wenn Details zu klären waren, geschah das auf der Beamtenebene.“
Krause: „Es genügt nicht, sich zu entschuldigen. Wir müssen etwas tun.“ Er fordert neue gesetzliche Regelungen mit anderen Möglichkeiten im Familienrecht.
Viele Frauen merken erst bei der Berechnung ihrer Rente, was ihnen droht. Bittbriefe an den Bundestag blieben ohne Erfolg. Vereine kämpfen für die Rechte der Scheidungsopfer. 

29.09.1999 Gründung eines „Vereins der in der DDR geschiedenen Frauen e.V.“ in Dresden
Vorsitzende war Frau Gisela Schumann. Es gab 150 Mitglieder. Dieser Verein arbeitete bis zum 27.10.2007 selbstständig. Die Auflösung wurde beschlossen, nachdem ein Musterprozess durch die deutschen Instanzen und bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geführt und mit negativem Ergebnis abgeschlossen wurde.

2000  Der Bundesrat verabschiedet fast einstimmig eine Initiative, die eine “zeitnahe” Lösung unseres Problems anmahnt.

2001-2004 Interministerielle Arbeitsgruppe der Bundesregierung zur Altersversorgung von vor 1992 in den neuen Bundesländern geschiedenen Frauen.
Drei Modelle und ihre Bewertung

2003 tritt das Grundsicherungsgesetz in Kraft. Damit besteht für die interministerielle AG kein Handlungsbedarf mehr.

Juni 2007 Resolution des 33. Feministischen Juristinnentages
Lesen Sie die Resolution hier

2010  Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe nimmt unsere Verfassungsklage (eine von mehreren Musterklagen im Laufe der Jahre) nicht zur Entscheidung an. Der Verein beschließt, damit weiter zu gehen zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg.

2010 erscheint das Buch „Bestohlen bis zum Jüngsten Tag“, Kampf dem Rentenabbau Ost, von Karl-Heinz Christoph, Verlag Das Neue Berlin, in dem auch das Problem der DDR-Geschiedenen ausführlich behandelt wird. Nach Christoph handelt es sich bei der so genannten „Überleitung“ um eine große Massenenteignung, mit der vielen Rentnerinnen und Rentnern der Eigentums-, Bestands- und Vertrauensschutz entzogen wurde. 

2010  Entschließung des Bundesrates: Der BR bittet die Bundesregierung nachdrücklich, eine befriedigende Lösung für die im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 geschiedenen Ehegatten herbeizuführen.

2011 erarbeitet Vereinsmitglied Edith Blaut, Leipzig, eine Mappe mit genau errechneten Rentenbeispielen nach DDR-Rentenrecht bis hin zu deren Anpassung in den Jahren vor dem RÜG, d.h. 1990 und 1991, und der späteren „Abschmelzung“, um die Ergebnisse mit der jetzt ausgezahlten West-Rente zu vergleichen. Dadurch wird der Abbau der Rente nach RÜG und besonders ab 1997 deutlich. (Diese Mappe kann vom Vorstand angefordert werden.)
Aufgrund dieser Erkenntnisse wird im Verein stärker betont, dass der Gesetzgeber gefordert ist, die diskriminierenden Rentenüberleitungslücken endlich zu schließen mit einem Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz, man könnte es auch nennen: „Rentenüberleitungskorrekturgesetz“.

2011 Der UN-Ausschuss zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frauen (UN-CEDAW) nimmt unsere Argumentation und Dokumente entgegen zur Vorbereitung eines Untersuchungsverfahrens. Frau Marion Böker, Menschenrechtsexpertin, ist seitdem unsere Vermittlerin und Beraterin in dieser Sache. 

Seit 2011  Registrierung von betroffenen Frauen mit Hilfe eines Erfurter Büroservice zur Unterstützung der UN-Untersuchung.

2013 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg lehnt die Annahme unserer Klage ab.

2013 erscheint das Buch “Mütter ohne Wert”, Scheidung in der DDR, Frauen berichten, von Christina Seidel im Mitteldeutschen Verlag, Halle. Es gibt Lesungen, Diskussionen und Zeitungsberichte in vielen Städten.


Zusammenfassung

Laut Recherchen der Menschenrechts-Expertin und Beraterin Marion Böker führten Frauen aus dem Verein mindestens 17  Klagen vor Sozialgerichten, 8 vor Familiengerichten, 3 vor dem Bundesverfassungsgericht und reichten 3 Beschwerden an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein: Alles wurde abgewiesen. Der Gesetzgeber beruft sich auf die Gerichtsurteile, aber diese basieren auf bestehenden Gesetzen. Ein Teufelskreis?

Hat schon einmal jemand gegen die massenhafte Enteignung der Frauen bei der Wiedervereinigung Klage geführt? Auch das wäre abgewiesen worden. Ob die Klage gegen Diskriminierung bei der UN eine Chance hat, ist abzuwarten.

Dass nachgebessert werden muss, ist eigentlich unumstritten, trotzdem einfach kein Thema. Frauen, besonders Rentnerinnen und aus dem Osten der Republik haben keine Macht und keine Lobby, solange die Politik männerdominiert und ignorant gegenüber Frauenthemen ist.