DIVORCE IS NOT A CRIME #2

Scheidung ist kein Verbrechen #2

Nachdem am 12. Juni 2022 der erste Teil der Reihe DIVORCE IS NOT A CRIME (Scheidung ist kein Verbrechen) vom Radiosender radio reboot ausgestrahlt wurde, folgte am 9. Oktober 2022 die zweite Folge. Die zweite Aufnahme können Sie sich hier anhören: DIVORCE IS NOT A CRIME #2

Seit 30 Jahren kämpfen die in der DDR geschiedenen Frauen für Rentengerechtigkeit. Ihnen wurde ein Drittel ihrer Renten gestrichen, weil die befristeten Sondermaßnahmen, die ihre faktische Ungleichheit als Frauen, die auch in der DDR überwiegend allein die unbezahlte Pflegearbeit zu Hause als Frau, Ehefrau und Mutter ausrichten musste, welche die DDR zur Sicherung der Rentengleichheit gewährt hatte, nicht nach der Einheit der beiden Staaten anerkannt bekamen. Diese Möglichkeiten, die Wochenarbeitszeit zu reduzieren oder sogar für einige Jahre ganz zu Hause zu bleiben, und bei der Rückkehr in die Vollzeitbeschäftigung nicht das zuvor erworbenen Rentenniveau zu verlieren, waren während der Einheit, als die sehr unterschiedlichen Ost- und Westrenten in dem einen aktuellen System zusammengeführt worden waren, nicht akzeptiert und nicht übertragen worden. Schließlich wurde damals Care Work im westlichen Rentensystemen nicht auf die Rente angerechnet und die Ostrente für Frauen und Männer wurde nach den westlichen Regeln angepasst.

Zunächst in Städtegruppen, dann seit 1999 in einem eingetragenen bundesweiten Verein der in der DDR geschiedenen Frauen hatten sie seit 1989 alle Rechtsebenen mit ihrer Sache befasst und keinen Weg des politischen Protests, der Interessenvertretung bzw. Lobbyings und der Kampagnen ausgelassen. 2017 forderte der UN-Ausschuss des völkerrechtlich verbindlichen UN-Menschenrechtsabkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) die Bundesregierung dringlich auf, eine finanzielle Entschädigungsregelung für diese Frauen umzusetzen. 2018 begann die erste Bundesregierung ein solches Modell zu entwerfen, reduzierte es aber auf einen “Härtefallfonds”, in dem auch viele andere Zielgruppen eine Einmalzahlung erhalten sollten. Bis heute sind im Haushalt 2022/23 nur 50 % (1 Mrd. Euro) für den Fonds von der Bundesebene eingeplant worden. Die Bundesländer haben sich bis heute nicht entschlossen, ihren Anteil von 50% beizusteuern.

Es bleibt also wieder nur eine geringe Chance, eine sehr geringe Zahlung zu erhalten, die weit unter dem liegt, was der UN-CEDAW-Ausschuss von Deutschland erwartet, um die Rentendiskriminierung dieser Frauen zu kompensieren und wenigstens etwas Gerechtigkeit wiederherzustellen. Die Frauen kämpfen immer noch und hoffen, dass sie nicht auf der Strecke bleiben und ihnen die Gerechtigkeit nicht vorenthalten wird. Es ist aber offensichtlich, dass die menschenrechtliche Forderung der UN nicht ihre rechtsverbindliche Wirkung entfaltet. Auch wenn Deutschland und seine Regierung sich in diesem Fall von einst 800.000, jetzt vielleicht 100.000 Frauen für die Menschenrechte einsetzen wollen, sind die verantwortlichen Landespolitiker nicht gerade erpicht darauf, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Es bedarf einiger Anstöße und Solidarität.

Johanna Weinhold, Journalistin des MDR und Autorin des Buches “Die betrogene Generation, Berlin 2020” führt in den Fall und die Hintergründe ein, den sie als Medienschaffende über viele Jahre verfolgt hat. Gregor Gysi, Bundestagsabgeordneter (Die Linke) reflektiert aus der Perspektive der Opposition, die stets Gerechtigkeit für diese Frauen und andere Gruppen bei Rentenkürzungen unter der Einheit eingefordert hatte. Es gibt Interviews mit drei der betroffenen Frauen, die sich seit langem für ihre Sache einsetzen, Hanna Kirchner, Helga Töpke und Margit Wolf. Die Künstlerin Nika Dubrowsky, die sich mit dem Fall der Frauen beschäftigt, sieht ihn im weiteren Kontext der Ignoranz gegenüber dem Wert von unbezahlter oder unterbezahlter Care-Arbeit und anderer Diskriminierungen von Frauen, die sich scheiden lassen und damit dem Patriarchat die Loyalität verweigern. Die Feministische Bibliothek MONALiesA in Leipzig erklärt, warum das Archiv des Frauenverbandes aus 33 Jahren eine so reiche Quelle für die Geschichte (von Frauen) und die zukünftige Generation von Lesenden und Forscher*innen ist.

Weitere Hintergrundinformationen sowie den ersten Teil der Sendung, finden Sie hier: DIVORCE IS NOT A CRIME #1